Los, Leute, esst mehr Fisch! #Hamburg #Veddel

Roadtrip

Hamburg, Januar 2017. Rund um die Veddeler Fischgaststätte ist nichts als angefrorener Schneematsch, angefrorener Baustellenmatsch, Baumaterial, Absperrungen. Der Parkplatz der von außen unspektakulär aussehenden Hütte ändert sich derzeit laufend. Die Anfahrt auch. Und das noch bis September 2017. Und genau deshalb sollte man auch unbedingt hinfahren und Fisch essen!

„Ah, endlich wieder eine Warteschlange!“ freut sich mein Begleiter, als wir nach ein paar nicht ganz legalen U-Turns endlich vor der Veddeler Fischgaststätte stehen. Als André mich vor einigen Jahren zum ersten Mal in dieses Traditionsmöbel der Hamburger Hafenarbeiter ausgeführt hat, mitten in der Woche, zur Mittagszeit, da war ich zugegebenermaßen erst mal irritiert. Wir standen vor einer schmucklosen Hütte, irgendwo auf einem Stückchen Land zwischen einer Güterschienenverkehrsstrecke und dem Zubringer zur Autobahn A255. Damals noch in direkter Nachbarschaft des Zollamts. Damals, als der Hamburger Hafen noch Freihafen war. Und schon damals standen wir gut zehn Minuten in der Schlange vor der Eingangstür für einen Platz an. Nur damals war es Frühling.

Heute stehen wir bei nasskalten 3° Grad im Baustellenschmodder und freuen uns trotzdem vor der Tür eine Warteschlange zu sehen. Denn die ist in letzter Zeit selten geworden. Bei meinen letzten Besuchen habe ich immer sofort einen Platz bekommen. Und das auch noch an einem eigenen Tisch. Das gab es früher nicht. Werden Plätze an einem Tisch frei, werden die wartenden Gäste, die sich bereits in den Windfang vorgearbeitet haben, einem braunen dicken Vorhang, der im Winter die Tür vom Gastraum trennt, sofort dort platziert. Zusammen mit Fremden, die bereits über ihrem Bratfisch gebeugt sitzen und zwischen zwei Bissen ein „Moin“ hervorbringen. So war es immer. So sollte es immer sein. Das gehört zum Charme dieser Traditionsgaststätte, die bereits seit 1932 an dieser Stelle immer das gleiche serviert, nach der Zerstörung während der Operation Gomorrha eben in diesem 1946 errichteten Hilfsbau.

Doch die große Baustelle um die Veddeler Fischgaststätte, die sich ständig verändert und die Verkehrsführung manchmal zum Ratespiel macht, hält selbst Stammkunden vom Besuch ab. Und das seit März 2016. Und noch bis September 2017. So lange braucht es noch um die Bauarbeiten für die östliche Anbindung an die Haupthafenroute fertig zu stellen. Und so lange hält die kultige Fischbude nicht mehr durch, wenn weiterhin so wenige Kunden kommen, wie es in den letzten Monaten der Fall war.

Alle mal zusammenrücken

Heute ist ein guter Tag. Seit die Not des Veddeler Fischbratküchenteams bekannt wurde, machen auch die Medien darauf aufmerksam, wie kürzlich der NDR in einem kurzen Beitrag, und das hat geholfen. Nachdem zwei Gäste vom Tisch in der Ecke bezahlt haben, kommt schon eine der Frauen von der Theke und zählt uns durch: „Eins, zwei… Ihr seid zwei? Das passt, Eure

Plätze sind die da rechts!“ Sie lächelt kurz und ist schon wieder weg, folgt dem Ruf der Gäste am Tisch links, die um die

Veddeler Baby
Veddeler Fischfilet-Teller „Baby“: Drei Filetstücke
und eine halbe Portion Kartoffelsalat: 5,80 Euro.
Sehr sehr lecker. Und macht pappsatt.

Rechnung bitten und informiert freundlich aber bestimmt „Bitte vorne bei mir bezahlen!“

André grinst. „Anfänger.“ Wir warten noch geduldig am Windfang, die Gäste von unserem Tisch kämpfen sich auf dem bisschen Platz zwischen Tisch und Garderobenhaken an der Wand in ihre Wintermäntel. Als sie sich den Weg hinaus bahnen, nehmen wir unsere zugewiesenen Plätze ein. An unserem Tisch sitzt ein älteres Pärchen, das schon bestellt hat. Auch sie sind Anfänger. Als die „Kleine Portion“ serviert wird, werden die Augen der Dame groß. „Das ist ja eine riesige Portion!“

Jo, die fünf Fischfiletstücke neben der halben Portion Kartoffelsalat sind für Menschen, die unter kleinen Portionen auch wirklich kleine Portionen gewohnt sind, schon ambitioniert. Dass die Baby-Portion kein Kinderteller ist, wird der Dame auch klar, als sie meine immer noch mehr als ausreichend sättigenden drei Filetstücke erblickt.

Veddeler Beifang und Resopal

Ich lasse meinen Blick durch den Raum schweifen, während ich genüsslich meinen ersten Bissen Bratfisch nach historischem Traditionsrezept verspeise. An den Wänden hängen Seefahrt-Devotionalien, ein Fischernetz, ein historischer Rettungsring vom Feuerlöschboot Feuerwehr IV, das 1980 ausgemustert wurde. Steuerräder, Schiffsmodelle, verblichene Fotos von einem Hafengeburtstag, Anker, eine Schiffsglocke, direkt neben dem Stammtisch, an dem etliche Wimpel an der Wand hinter der Bank aufgereiht sind.

In der Mitte des Raums markiert eine weiße Platte am Stützpfeiler die Höhe des verheerenden Hochwassers von 1962. Die Theke hat das Hochwasser damals überlebt. Die Tische mit Resopalplatte kamen nach dem Hochwasser dazu. Und seitdem tun sie ihren Dienst. Alles hier wirkt ein bisschen wie aus der Zeit gefallen. Und das gehört so.

Es wäre schon fast ein bisschen absurd, wenn dieses Hamburger Kleinod nach all dem Unbill, das es in vielen Jahrzehnten erlebt und überlebt hat, nun wegen einer Baustelle aufgeben müsste. Fahrt Veddel raus, wenn Ihr gen Süden fahrt. Und bevor Ihr rein kommt nach Hamburg, gönnt Euch hier Eure Pause. Und esst mehr Fisch.

Öffnungszeiten Veddeler Fischgaststätte

Montag bis Freitag 11 Uhr bis 17:45 Uhr (in den Wintermonaten bis 17 Uhr)

Homepage
Speisekarte
Ganze Veddeler Fischgaststätte für Euch alleine

Schreibe einen Kommentar