Ich hab ’nen Star, holt ihn da raus

Menschen & Me

Liebe Schlauberger, Ihr habt Recht: Das auf dem Foto ist kein Star, das ist ist eine Rabenkrähe. Das auf dem rechten Bild ist das, was ich mit dem rechten Auge von dieser Krähe erkennen kann. Aufgrund eines grauen Stars. Alles klar?

Grauer Star, das ist diese Augenerkrankung, die viele bekommen, wenn sie so jenseits der 60 sind. Dann trübt sich die Linse ein. Und dann herrscht permanenter Nebel. Das ist nicht nur sehr unschön, sondern spätestens beim Autofahren auch noch sehr gefährlich. Und bei mir als Fotografin und Bildschirmarbeiterin kann das unweigerlich zu einer extremen Einschränkung der Arbeitsfähigkeit führen.

Nun ist es bei mir nur mein rechtes Auge, und ich lebe schon sehr lange damit, dass dieses Auge nur noch bedingt brauchbar ist. Seit einer Netzhaut-Operation vor 20 Jahren, bei der der Operateur eine ziemlich fette Narbe hinterlassen hat, lebe ich damit, dass in der Mitte einfach was fehlt und drumherum alles verzerrt ist. So ähnlich wie der Rand eines Wassertropfens ein Bild verzerren kann. Und diese Netzhaut-Operation ist auch die Ursache dafür, dass ich bereits jetzt, im zarten Alter von 48, einen grauen Star, bzw. eine Katarakt entwickelt habe.

Mein Aug-Ei

Denn seit dieser Operation liegt ein Silikonring um meinen Aug-Apfel herum, der ihn zu einem Aug-Ei staucht. Diese sogenannte Cerclage macht man, damit die operierte Netzhaut besser anliegt und sich nicht lösen kann, denn das wiederum würde gleich zu Erblindung führen. Diese Stauchung führt zu einer verschärften Hornhautverkrümmung, auch als Astigmatismus bekannt. Und diese wiederum zum grauen Star. Etwa so wurde mir das erklärt.

Leider erst heute, im Zuge der Diagnose rund um diesen grauen Star. Und nicht schon zur OP vor 20 Jahren. Vielleicht hätte ich es mir dann doch nochmal überlegt, ob ich mir von diesem überambitionierten Privatdozenten in Düsseldorf drei Löcher in den Augapfel bohren lasse (eins fürs Licht, eins fürs Instrument, eins fürs Absaugen des Glaskörpers), um ihn an meiner Netzhaut rumschnibbeln zu lassen. Aber damals war ich noch nicht wirklich so weit, Halbgötter in weiß in Frage zu stellen und bei einem komischen Bauchgefühl eine zweite Meinung eines anderen Arztes einzuholen.

Und dieser da war ohnehin ganz besonders überzeugend. Durch Angstmacherei: „Wenn wir das nicht sofort operieren, dann wird das ‚Presumed Occular Histoplasmosis Syndrome‘ auf auch Ihr gesundes Auge übergreifen, und Sie werden erblinden.“

Angenommen: Presumed Occular Histoplasmosis Syndrome

Nun, das war 1998, Google gab es noch nicht, und die damals gängigen Suchmaschinen Altavista und Fireball gaben nicht allzuviel her, außer einigen Fachtexten, in denen dieses P.O.H.S. mit Pilzen in Verbindung gebracht wurde, die nur am Mississippi-Delta wachsen. Da war ich allerdings noch nie. Als ich den Chirurgen – vor seinen AIPlern – darauf angesprochen hatte, wurde er laut und bestimmt: „Glauben Sie, ich habe so lange studiert um mich von jemandem wie Ihnen anzweifeln zu lassen?! Ihre Entscheidung, dann werden sie eben erblinden.“

Nun denn, ich ließ mich widerwillig auf die OP ein, um  – wir er mir versicherte – die zu diesem Zeitpunkt verbliebenen 40% Sehkraft für das Stereo-Sehen zu erhalten und sicherzustellen, dass der böse Pilz nicht auf das andere Auge hüpft. Dazu wurde mir dann eben der Silikonring um den Augapfel gelegt und der gesamte Glaskörper entfernt. Das ist diese Glibbermasse im Auge. Die wurde dann nach der OP durch ein okkulares Gas ersetzt, und mein Körper hat dann mit der Zeit selbst wieder sowas wie einen Glaskörper entwickelt.

Professioneller Linksgucker

Nur sehen konnte ich mit dem Auge dann gut ein Jahr einfach gar nichts mehr. Es dauerte Monate, bis sich überhaupt wieder sowas wie eine gewisse Schärfe bemerkbar machte, und ich nicht nur hell/dunkel/grelle Farben verschwommen wahrnehmen konnte. Mein Hirn arbeitete dafür ganz gut und kompensierte den Totalausfall meines rechten Auges so gut, dass ich zurecht kam. Und ich hatte eh schon immer mit links fotografiert, da musste ich mich nicht umgewöhnen.

Mit den Jahren kam die Sehkraft auf  dem rechten Auge dann wieder so weit zurück, dass mein Gehirn es wieder für das Stereo-Sehen einarbeiten konnte. Das machte sich insbesondere beim Einschütten des Kaffees bemerkbar. Ich kippte nicht mehr soviel daneben, weil ich die Entfernungen besser einschätzen konnte. Und beim Autofahren war das mit dem Entfernungen abschätzen schon auch ganz hilfreich. Nur zentral im Blickfeld fehlte mir auch immer dort, wo die Netzhautnarbe liegt, ein Stück vom Bild.

Nebel des Grauens

Viele Jahre ging das so gut, dass ich die Einschränkung nur bemerkte, wenn ich das linke Auge zukniff. Dann zog langsam der Nebel auf. Ich kann den Zeitpunkt, wann es los ging, nicht genau beziffern. Irgendwann 2016 hatte ich mir eine neue Brille anpassen lassen, um eine Kontaktlinsenpause einzulegen. Der Optiker damals verzweifelte wohl etwas darüber, dass er kein für mich zufriedenstellendes Ergebnis erreichte. Ich schob es auf meine Unfähigkeit zentral zu sehen (für Sehtestes muss ich immer quasi an den Buchstaben auf der Sehtafel vorbei gucken, um sie lesen zu können).
Da ich den Rest meiner Netzhaut aber gesund wähnte, hielt ich den Optiker für unfähig, mein spezielles Guckproblem zu verstehen. Inzwischen gehe ich davon aus, dass es damals einfach schon losging mit der Linseneintrübung.

Device statt Linse? Noch sind wir nicht so weit

Inzwischen ist es also klar: Eine neue Linse muss her. Und am Dienstag wird es so weit sein. Dann wird die eingetrübte Linse entfernt und ich bekomme eine klare Kunststofflinse eingesetzt, die es mir auch wieder ermöglichen soll, schärfer zu sehen. Das wäre ganz schön klasse, denn inzwischen wirkt sich der streuende diffuse Nebel vom rechten Auge auf meine Gesamtsicht aus. Deshalb fahre ich im Dunkeln nicht mehr im Regen und muss sehr viel häufiger Pausen am Computer machen.

Natürlich hab ich auch mal geguckt, was die Digitalisierung so bei Linsen macht. Aber leider habe ich dazu noch nichts seriöses oder machbares gefunden. Wohl gibt es in der Schweiz bereits künstliche, bionische Augen, die völlig Erblindeten wieder zu einer gewissen Sehqualität verhelfen können. Sie fotografieren gewissermaßen die Umgebung und leiten die so entstehenden Signale kabellos an einen Chip auf der Netzhaut weiter. Die Netzhautzellen werden damit stimuliert und erzeugen visuelle Lichtmuster. Das Ergebnis dürfte aber noch weit von den Fähigkeiten eines Terminators entfernt sein 😉

Und es sind zwar Linsen in der Entwicklung, die eine spektakuläre Sehkraft auf Lebenszeit versprechen. Aber das was ich mir vorstelle, eine smarte Linse gewissermaßen, dazu habe ich leider nichts seriöses finden können, außer Hinweise auf Patente und Forschungen. Falls Ihr auf sowas stoßt, sagt mir bitte Bescheid. Da wäre ich wirklich sehr dran interessiert und auch als Beta-Testerin sofort dabei 😉

Klare Sicht?

Erst mal ist aber eine klare Sicht das Wichtigste, und die wird im Rahmen meiner Möglichkeiten am Dienstag wieder hergestellt. Das hoffe ich zumindest. Es ist ein Routine-Eingriff. Jedes Jahr werden allein in Deutschland 650.000 Katarakt-Operationen durchgeführt. Daumendrücken wäre mir aber trotzdem recht 😉

5 Gedanken zu „Ich hab ’nen Star, holt ihn da raus“

    • Danke Stephan!
      Wenn man so kurz vor einer Augen-OP steht, neigt man ja ein wenig zum Dramatisieren. Also, ich zumindest.
      Dann denkt man drüber nach wie cool es einfach ist, sehen zu können. Zum Beispiel Deine fantastischen Schottland-Luftaufnahmen ansehen zu können.
      Und dann wird man sehr dankbar und demütig…

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