Die Älteren unter uns werden sich erinnern: Damals, auf der re:publica 13, als Sascha Lobo in einem etwas langatmigen Redebeitrag und einer aus technischen Gründen dezent missglückten Präsentation nicht nur einen Empört-Euch-Appell („Wut und Pathos“) an die #Netzgemeinde sendete, sondern auch eine gute Idee vorstellte: Reclaim Social Media.
Im Kern ging es darum, den schreibenden Menschen zu ermöglichen, alle ihre Aktivitäten im Internet wieder auf den eigenen, damals schon arg vernachlässigten Blogs zu spiegeln und zu bündeln, um das Soziale an der Social Media wieder im eigenen virtuellen Garten stattfinden lassen zu können.
Und weil es in seinem Beitrag auch ums einfach mal #Machen ging, stellte Sascha mit diesem Ziel einfach mal das WordPress-Plugin reclaim.fm vor, das Felix Schwenzel und er sich erdacht und entwickelt hatten.
10 Jahre ist das schon her, und ich bin mir nicht sicher, ob es je richtig funktionierte. Aber die Idee war sehr gut. Nicht ausgereift, aber gut, weil: Zu dieser Zeit verteilten wir bereits alle unsere Gedanken, Texte, Fotos, Inhalte aller Art überall im Internet – und fanden sie nicht wieder.
Nur noch wenige schrieben ins eigene Blog.
Texte wurden damals bereits mundgerecht nach Plattform und Publikum formuliert und direkt bevorzugt auf Facebook oder Twitter gepostet. Dann – und nur dann – waren Likes und Kommentare sicher. Blogs verwaisten immer mehr. Und heute stehen wir vor dem Problem, das wir manchmal vergessen haben, wo wir was geschrieben, geliket, kommentiert haben.
Doch heute gibt es einen neuen Weg zum schöneren neuen Miteinander: Das Fediversum.
Das Fediversum ist schön
Das Fediversum ist ein wunderbares virtuelles Paralleluniversum, das ohne Werbung, Datenklau und bevormundende Algorithmen funktioniert. Es fühlt sich ein bisschen an wie der Anfang aller Online-Communities. Die Feeds sind chronologisch, man kann wieder miteinander in den Tag starten, gemeinsam ESC gucken und vor allem: Man sieht wieder ALLE, denen man folgt.
Andere entdeckt man, indem man den Feed umschaltet von „persönlich“ auf die „Lokale Timeline“, wo man die direkte Nachbarschaft des eigenen Servers kennenlernen kann, oder auf die „Föderierte Timeline“, wo man jene Menschen und Bots entdecken kann, mit denen wiederum die Accounts der lokalen Timeline verbunden sind.
So weit die Technik. Die haben andere aber bereits viel ausführlicher und besser erklärt. Stephanie Henkel (@ueckueck) vom Dresden.Network zum Beispiel in diesem gut verständlichen Video, mit dem sie Neuankömmlinge im Fediversum Willkommen heißt. Und auch Sascha Pallenberg (@pallenberg) aktualisiert regelmäßig seine ausführliche Anleitung.
Viel wichtiger sind aber – endlich wieder – die Menschen im Fediversum. Die Menschen, die dort hinein schreiben oder kritzeln oder fotografieren oder musizieren.
Fediwesen und andere Kreaturen
Der Teil des Fediversums, den ich bereise, ist ziemlich wunderbar. Seit 2017 war ich ja immer mal wieder hier, und seit 2022 nun dauerhaft. Ich habe bereits viele gute Diskussionen verfolgt und einige geführt, und auch wenn ich generell nicht mehr so hyperaktiv im Netz unterwegs bin, wie einst, so fühle ich mich hier doch sehr sehr wohl. Ich habe neue interessante Menschen entdeckt, sehr viele lang verschollene wiedergefunden, und das Gefühl von Stammcafé und Lieblingsclub – hier sei der Planet MUSICSPOTS als Heimat Musik- und Kulturschaffender empfohlen – macht sich breit.
Dein Blog kann ein Planet sein
Es gibt inzwischen hunderte Server im Fediversum, und jeder ist ein Planet mit einer eigenen Bevölkerung. Es gibt große Planeten, die eher General Interest sind, wie mastodon.social oder troet.cafe, und es gibt viele kleinere Special Interest Planeten, wie chaos.social für die Nerds und Geeketten, mastodon.art für die Kreativen, und sogar ganz offizielle Planeten, wie social.bund, wo die Bundesregierung und Ministerien und Institutionen aktiv sind, und auch Sender wie ard.social haben das Fediverse längst entdeckt.
Und zwischen all diesen großen Planeten kann auch Dein Blog ein Zwerg-Planet sein – direkt vernetzt und eingebettet ins Fediversum.
Und das ist der Punkt. Wenn Du ein WordPress-Blog hast, dann kannst Du es mit dem WordPress-Plugin ActivityPub zum Planeten im Fediversum machen. ActivityPub ist das Protokoll, das alle Plattformen und Planeten miteinander vernetzt. Wenn Du also statt Mastodon (etwas ähnlich zu Twitter), lieber einen Account auf Pixelfed (etwas ähnlich zu Instagram) oder Friendica (etwas ähnlich zu Facebook) mit Deinen Geschichten füllen willst, dann kannst Du allen Usern auf anderen Plattformen dennoch direkt folgen, ohne Deinen Feed zu verlassen – und umgekehrt.
Und auch Deinem WordPress-Blog kann man von überall im Fediverse folgen – und von da aus direkt unter Deinen Beiträgen kommentieren! Und da ist es: Reclaim your Internet! Reclaim your Content! Interaktion zurück dort, wo sie stattfinden sollte! Gesammelt und zentriert im eigenen Blog. Und dennoch komplett eingebettet im Fediversum. Ich finde das so großartig!
@saschalobo übrigens leider nicht. Der hat letzten November nur mal kurz hier reingerülpst und ist wieder zu X (formerly known as Twitter) gegangen, ohne das Potential des Fediversums zu erkennen, das seiner eigenen Idee von 2013 so zuträglich wäre. Schade.
Dabei war seine Vision vom Logo für das Internet schon sowas wie ein Vorbote auf das Fediversum – wenn man es mit der Grafik von Mike Kuketz und Imke Senst „A View into the Fediverse“ vergleicht, findest Du nicht?
Einfach machen
Du hast Angst erstmal allein im Fediverse zu sein? Du wirst überrascht sein, wen Du hier alles wiedertreffen wirst, versprochen! Zur Stunde sind es 13.951.006 User alleine auf Mastodon, Du könntest die 14-millionste werden!
Und hey, schnapp Dir einfach Deine Mädels zu einem Mädelsabend, macht eine Flasche Prosecco auf und entert gemeinsam das Fediversum! Alles andere ergibt sich dann ganz schnell.
Und wenn Du Fragen hast, stell sie dem Fediversum, indem Du in Deinen Beiträgen @askfedi_de oder mich mit @https://sandraschink.de@chaos.social taggst. Dir wird ganz sicher geholfen! Auch versprochen!
Noch ein paar Links
- Server („Planet“) finden auf Join Mastodon
- Dieses persönliche Blog hier (freue mich sehr über Leser*innen: Such im Fediverse einfach nach @https://sandraschink.de@sandraschink.de)
- Fedifinder von @luca zum Auffinden der Accounts, die auf Twit… X ihren Mastodon-User in der Bio angegeben haben. Die Liste kannst Du dann importieren.
- @leoskull WordPress-Blog meines (ohnehin empfehlenswerten) WP-Admins, in dem ich diesen ActivityPub-Tipp gefunden habe
- @saschalobo (nicht) auf Mastodon (aktiv)
- @ix Felix Schwenzel auf Mastodon
- Logo für das Internet (#)