A little lost in space? Ich mag’s!

Digitalien

Jedesmal, wenn ich Zeit habe, mich ein wenig intensiver mit dem Fediversum zu befassen, ist es so, als würde ich in ein Kaninchenloch fallen. Oder mich eben in einem Universum verlieren. Und dann fühle ich mich manchmal so wie damals, anno 1996, bei meinen ersten Schritten ins Internet.

Damals gabs auch eine Handvoll Leute, die viel mehr technische Ahnung als ich hatten, die einstigen LAN-Party-Kids, die mich irgendwie da rein geschnackt haben. Und dann fiel ich in dieses Rabbithole.

Ich entdeckte nach und nach, welche Möglichkeiten sich mit diesem Internet auftun würden. Ich liebte von Anfang an diese spezielle Art der Kommunikation.

Einer meiner Nerd-Freunde hatte einen Chat selbstgestrickt. Fragt mich nicht nach technischen Einzelheiten, Protokollen und Funktionen. Ich habe wirklich keine Ahnung. Ich weiß nur, dass wir per Festnetz-Telefon eine Uhrzeit verabredeten. Und dass ich mich dann fünf Minuten vorher mit einem geliehenen 28.8 U.S. Robotics-Modem mit zirpen und knirschen irgendwo einwählte (ich glaube, es war mit CompuServe). Und ich dann eine von diesen kryptischen Internetadressen eintippte. Und „enter“ drückte.

Dann baute sich sehr langsam eine weiße leere Seite auf. In der gab es ein Eingabefeld. Ich tippte: „Hallo!“ Und drückte „enter“. Mein „Hallo“ hüpfte eine Zeile nach oben. Ich drückte wieder „enter“. Und nochmal. Und nochmal. „Enter“.

Die Sache war nämlich die: Um Nachrichten von anderen im Chat zu empfangen, musste ich immer wieder „enter“ drücken, weil die Seite sich nicht selbst aktualisierte. Jaja. Wir hatten ja nix. Außer Spaß.

Wenn nach so einem „enter“ dann endlich eine Antwort kam – auch „Hallo“, dann war das auf eine merkwürdige Weise aufregend, die man heute einfach niemandem mehr erklären kann.


Wenn die Jungs auf sich warten ließen, probierte ich einige dieser Sachen aus, die mir vorher bei einem Treffen mal jemand auf einem Zettel notiert hatte. Da stand zum Beispiel <marquee>Irgendein Text</marquee>. Oder <font color=“red“>Irgendein Text</font>.

Also tippte ich:
<marquee><font color=“red“>H</font><font color=“yellow>A</font><font color=“orange“>LL</font><font color=“lightgreen“>O</font></marquee> und war dann völlig verzückt, wenn dann tatsächlich ein buntes Hallo von rechts nach links über den leeren Bildschirm ruckelte.

HALLO

So startete ich ins Internet und hatte keine Ahnung, wo es hinführen würde. Mich und alle. Ich fing an mit rudimentären HTML-Kenntnissen einfache Webseiten zu bauen, nur um Texte dort rein zu schreiben, die mich heute beim Lesen fassungslos hinterlassen.

Mit meinen Nerd-Freunden füllte ich mit überdrehter „Jugendsprache“ und viel visuellem Gekreische eine Art erstes Szene-Blog. Und wir hantierten mit gesponserten Digitalkameras herum, die 640×480 Pixel „große“ Fotos ausspuckten. Die mussten wir dann noch ordentlich auf unter 20kb komprimieren, damit unsere Seiten nicht zu langsam wurden.

Ich habe keine Ahnung ob irgendjemand anders außer unsere kleine nerdige neugierige Internet-Clique sich diese Seiten ansah. 1996 hatte kaum jemand Internet. Wir machten das für uns und hatten Spaß.

Twitter, Facebook, Instagram, das kam alles erst sehr sehr viel später. Diese Community-Dienste erleichteten vieles und machten das Internet auch für weniger technisch aufgeschlossene Menschen interessant. Allerdings nahmen uns diese kommerziellen Dienste auch alles aus der Hand. Auch unsere Daten.

Natürlich müssen wir nicht darüber reden, dass alles, was wir seit damals, 1996, in dieses neue Internet geschüttet haben, heute noch immer in einem Web-Archiv schlummert und – nein – ich werde Euch nicht sagen, wo 😉

Aber es fühlte sich damals an, als würde diese Internet-Welt uns gehören. Wir tauschten uns in Usegroups und Foren aus, um voneinander zu lernen. Werbung war noch handgeklöppelt und verfolgte uns nicht über sämtliche Plattformen. Kein Algorithmus schrieb uns vor, was uns gefälligst zu interessieren hatte. Message-Boards funktionierten chronologisch – und nicht unlogisch. Und man befreundete sich nur mit Menschen, die man wirklich irgendwie kannte, weil man sich mit ihnen austauschte.

Wenn ich heute durch das Fediversum streife, dann habe ich manchmal Flashbacks aus dieser Zeit. Es ist alles noch ein wenig sperrig, und nicht alle Funktionen erschließen sich sofort. Ich stolpere noch durch Funktionen und Plug-Ins, frage mich, ob andere Plattformen im Fediverse interessant sein könnten, außer Mastodon. Ich bin schon etliche Male von einem Server zum anderen gezogen, und habe dabei auch schon mal 1.000 Follower auf einmal verloren, weil ich sie versehentlich alle auf einmal geblockt habe.

Aber ich mag es. Ich mag es, hier morgens beim Kaffeemachen rein zu schauen und andere beim Kaffeemachen zu treffen. Ich mag, dass man sich sehr hilft und unterstützt, auch wenn das manchmal auch etwas bevormundend wirkt. Früher war das aber normal und immer nett gemeint.

Ich weiß nicht, vielleicht ist es gut, dass das Fediverse noch etwas ruckelt und alles nicht zu schnell wächst. Vielleicht haben wir so die Möglichkeit, nochmal von vorn anzufangen. Uns nicht wieder alles aus den Händen und aus der Kontrolle nehmen zu lassen. Vielleicht können wir so das Internet zumindest ein bisschen reparieren.

Ich fänds schön.

P.S.:

Einige folgen mir noch auf meinem Autoren-Profil im Fediverse. Ich habe aber jetzt das Blog als Profil aktiviert. Ich würde mich freuen, wenn Ihr jetzt dieses Profil abonnieren würdet: @blog

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