Ihr könnt es Euch denken: Die, die damals dabei gewesen sind, in dieser besonderen und absonderlichen Zeit, kurz nach der Wende, haben sich und andere längst erkannt. Und mit einigen aus dieser Zeit habe ich gesprochen. Wir haben noch viele weitere Weißt-Du-noch-Geschichten ausgetauscht. Und obwohl es sich rein von der Lebenszeit her nicht so anfühlt, so ist doch deutlich, dass es sich um Geschichten aus einem vergangenen Jahrtausend handelt. Es hat sich viel verändert – sowohl im Technischen, als auch im Zwischenmenschlichen.
Alle, mit denen ich gesprochen habe, sind sich einig: So einer wie Björn wäre heute nicht mehr tragbar als Vorgesetzter, und auch nicht als Kollege. Einer nannte dieses Gebaren: „Gelebte Wichtigkeit.“ Wer irgendwie Chef war, war in der Regel auch auffallend cheffig. Oder cheffig auffallend. Wo damals die bereits erwähnte Devise galt: „Hier musst Du Dich nur schlecht benehmen, dann kommst Du weiter.“ und wo frau dann auch mal durchaus jovial mit „Alles klar, olle Schlampe?“ begrüßt wurde, da herrschen heute der Betriebsrat, die Gleichstellungsbeauftragte und gut in Konfliktmanagement-Seminaren durchgeschulte Führungskräfte. Ja, auch in diesem Verlag. Auch wenn es, wie es ein anderer ausdrückte, dort immer noch eine ausgeprägte Arschloch-Kultur der Rücksichtslosigkeit geben soll. Sie verkleidet sich nur feiner.
und doch…
Es mag verrückt klingen, aber ich denke nicht mit Zorn an dieses halbe Jahr vor fast 30 Jahren zurück, sondern mit einem breiten Grinsen. Björns Auftritte sind nicht nur der Grund, warum ich mich damals sehr bemüht habe, gute und vor allem andere Fotos zu machen, und mich somit fotografisch und im Storytelling deutlich zu verbessern. Seine Art hat mich jeden Tag aufs Neue herausgefordert, und ich habe Ideen zu Fotos entwickelt, auf die ich ohne diesen speziellen Trigger vermutlich nie gekommen wäre.
Björn ist auch der Grund, dass ich mir ein dickes Fell gegenüber einer bestimmten Spezies von Vorgesetzten und Kollegen zugelegt habe. Nach ihm konnte mich niemand mehr schocken. Und meine Begegnung mit Reitmüller (der übrigens Justitiar und Verlagsgeschäftsführer war, wie ich heute weiß), die aus heutiger Sicht völlig irrwitzig gewesen ist, hat mir gezeigt, dass ich mir nichts gefallen lassen muss. Und dass es sich lohnt, niemals einfach aufzugeben.
Das hat mir das Leben bei späteren Arbeitgebern zwar nicht immer leichter gemacht und ist durchaus ein Grund, warum ich mich – und sicher auch Vorgesetzte – das eine oder andere mal aufgerieben habe. Wäre ich manchmal nachgiebiger und freundlicher gewesen, hätte ich es sicher oft leichter gehabt. Aber ich bereue nichts, denn mir ginge es heute nicht besser, wenn ich mich verbogen hätte.
Und alles hat sich ja in den letzten drei Jahrzehnten nicht geändert: Wäre ich ein Kerl gewesen, dann hätte ich vermutlich mit genau diesem widerborstigen und renitenten Verhalten Karriere gemacht…
Der Dienstplan
Einige Mitlesende hatten mich gefragt, was es eigentlich mit diesem Dienstplan auf sich hatte, der meinem Verlagsverbot auf wundersame Weise beigelegt gewesen war. Auf diesem Dienstplan stand geschrieben, dass ich über ein halbes Jahr für diese Redaktion im Einsatz gewesen war. Hätte ich mir einen Anwalt genommen, hätte ich mit diesem Nachweis eine gute Chance bei einer Klage auf Festanstellung haben können. Aber zum einen wusste ich das nicht, und zum anderen wollte ich das gar nicht. Dass Reitmüller mir den Plan damals „zum Einrahmen“ wieder zurückgegeben hat, habe ich nicht mal verstanden. Und war vor diesem Hintergrund auch erstaunlich.
Wer mir diesen Dienstplan mit eingesteckt hat, das weiß ich bis heute nicht genau. Sollte der- oder vielleicht auch diejenige heute hier mitlesen: Danke! Auch wenn ich nicht glaube, dass so ein Dienstplan geholfen hätte, wenn man mich wirklich und endgültig hätte loswerden wollen.
Die andere Seite
Was ich in meinen Episödchen nicht untergebracht habe, aber unbedingt erwähnen möchte: Ich hatte großartige Kollegen, sowohl in dieser, als auch allen anderen Redaktionen. Nicht zuletzt meinen ersten Mentor und Fotochef, der mir immer Freund geblieben ist. Und die vielen Kollegen, die mir den Rücken gestärkt haben.
Gespräch mit Björn
Ich habe vor einigen Tagen übrigens auch mit Björn telefoniert. Er hat mich angerufen. An Details kann oder möchte er sich immer noch nicht erinnern, aber er sagte: „Ich kann mir gut vorstellen, dass es damals so gewesen ist. Es war eine andere Zeit.“ Es war ein gutes Gespräch, mit vielen anderen Erinnerungen an Kollegen und Begebenheiten, viel Lachen und viel Nachdenklichkeit.
Und er hat sich bei mir entschuldigt. Ich hab diese Entschuldigung gerne angenommen. Und immerhin habe ich heute was zu erzählen…
Kapitelübersicht
Teil 1: Intro – Geschichten mit Björn
Teil 2: Die andere Perspektive
Teil 3: Der Aufzug, oder: Warum kannst Du telefonieren?!
Teil 4: Spring doch!
Teil 5: So wird das gemacht! Bang! Bang!!
Teil 6: Der Abschuss
Teil 7: Der Abschluss
Teil 8: Nachklapp